Page 3 - Flugzeugabsturz_Obermeiser
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Der Panzer war die Niedermeiserstraße runtergefahren und kam zur Buttenstraße raus
               und nahm die Häuser dort und im Mühlenweg unter Feuer. Wir haben gut 1 ½ Stunden
               im  Keller  gesessen  und  bei  dem  Krachen  Ängste  ausgestanden.  Die  Amerikaner
               haben nicht mit Brandwaffen geschossen, deshalb sind an einigen Häusern nur ganz
               leichte Schäden. Die deutschen Soldaten sind durch die Wame wieder geflüchtet. Bei
               Peters Scheune hatten sie zwei Panzerfäuste fortgeworfen. Inzwischen waren zu dem
               einen Panzer noch drei gekommen. Die waren zum Bürgermeister gegangen und da
               wurde ausgeschellt, dass die Bevölkerung alle Waffen den Amerikanern abzuliefern
               habe. (…)

               In der nächsten Zeit nahm das Leben im Dorf seinen gewohnten Fortgang, jeder ging
               seiner Arbeit nach. Bei strahlendem Frühlingswetter wurden die Kartoffeln gepflanzt
               und  die  Felder  bestellt.  Am  Himmel  kreisten  oft  feindliche  Flieger,  doch  für  uns
               bedeuteten sie ja keine Gefahr mehr. Die Hauptstraße war immer noch sehr belebt,
               mit Nachschubautos, die zur Front fuhren, und dann kamen viele Autos mit deutschen
               Gefangenen durch. Ach, Peterchen, das werde ich nie vergessen. Die Soldaten, die
               sechs Jahre alle Strapazen des Krieges ertragen haben, und deren einzige Hoffnung
               die Heimkehr war, mussten durch ihre eigene Heimat in die Gefangenschaft fahren.
               Sie  standen  auf  Lastautos  dicht  gedrängt,  manche  verbunden  mit  vom  Staub
               schwarzen Gesichtern. Alle Leute, die in der Nähe waren, liefen und guckten, immer
               in der Hoffnung vielleicht fährt von uns jemand durch. Frau Schmidt ihr Mann, der mit
               dir  auf  dem  Finanzpräsidium  gearbeitet  hat,  ist  durchgekommen.  Verschiedentlich
               wurden Zettel abgeworfen mit Nachricht für die Angehörigen. Wir haben auch noch
               einen solchen Brief, den wir, sobald die Post wieder geht, abschicken werden. Wenn
               ich  die  Soldaten  gesehen  hab,  habe  ich  ihnen  immer  zugewinkt,  sie  sollten  doch
               wissen, dass die Heimat an sie denkt, dass wir uns in den schwersten Zeiten erst recht
               mit unseren Soldaten verbunden fühlen. An einem Tag sind 116 Autos mit Gefangenen
               durchgekommen. Da doch alle wissen, wie hungrig die armen Soldaten sind, haben
               wir fertige Brote auf die Autos geworfen. Die Mädchen haben im Dorf Brot und Wurst
               und Butter gesammelt, und da oben bei Holds wurde dann auf die Autos geworfen.

               Da konnte man nun wieder die verschiedenen Charaktere feststellen, manche Fahrer
               fuhren langsam, damit drauf geworfen werden konnte, manche fuhren extra schnell.
               Einer hat sogar gehalten und da haben alle Soldaten was zu essen bekommen. Die
               Soldaten haben gesagt, sie würden Obermeiser nicht vergessen. Und was da gegeben
               ist, ist von ganzem Herzen gegeben, ich hätte so alles hergeben können, das war
               wahre  Volksgemeinschaft.  Ich  habe  immer  so  gedacht.  Hoffentlich  gibt  meinem
               Peterchen  auch  jemand  ein  Stück  Brot.  Wenn  jedesmal  die  Gefangenen
               durchgefahren waren, hätte ich laut weinen mögen, dass alles so kommen musste,
               und doch wäre ich froh gewesen, wenn ich dich auf so einem Auto gesehen hätte,
               dann wüsste ich doch, du wärest nicht mehr so in Lebensgefahr. (…)



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