Page 1 - Flugzeugabsturz_Obermeiser
P. 1

“Das Kriegsende 1945 in Obermeiser“

               Die  Söhne  von  Frau  Emmi  Vaupel,  geb.  Zuschlag  (1917  –  2009),  haben  dem
               Arbeitskreis Dorfgeschichte die Abschrift eines Briefes übergeben, den ihre Mutter im
               April 1945 dem Vater geschrieben hatte. Emmi Vaupel schildert darin sehr eindringlich
               und auf Details eingehend die Situation und die Stimmung in Obermeiser in den letzten
               Wochen  des  2.  Weltkrieges.  Wir  sind  der  Familie  Vaupel  sehr  dankbar  für  diese
               Unterlagen und möchten zur Information des geneigten Lesers nachstehend einige
               Passagen aus dem Brief abdrucken:

               “Heute sind es nun 10 Wochen, dass ich nichts mehr von Dir weiß. Vor drei Wochen
               habe ich Dir zum letzten Mal geschrieben. In dieser Zeit hat sich Vieles ereignet. Jetzt
               ist jede Verbindung zwischen uns zerrissen nur die Hoffnung, dass doch noch einmal
               alles gut wird, ist mir verblieben. (…) Doch ich kann Dir sagen, es geht uns allen und
               mir gut. Nun will ich Dir im Einzelnen mitteilen, was die letzten drei Wochen hier für
               Ereignisse brachten.

               Am Sonntag vor Ostern habe ich Dir zum letzten Mal geschrieben, hoffentlich hast Du
               diesen  Brief  noch  erreicht.  Du  weißt  ja,  dass  zu  dieser  Zeit  der  tägliche
               Wehrmachtsbericht das Näherrücken der Front meldete. Auf den Straßen war reger
               Betrieb,  von  Flüchtlingen,  Soldaten  und  zurückfahrenden  Kolonnen.  Herrliches
               Frühlingswetter  war  draußen,  doch  alle  sahen  mit  Bangen  und  Besorgnis  in  die
               Zukunft. Ich bin immer meiner täglichen Arbeit nachgegangen, habe jeden Tag auf
               eine Nachricht von Dir gewartet, doch es kam nichts mehr. (…)


               Am  Mittwoch  meldete  der  Wehrmachtsbericht,  dass  die  Panzerspitzen  bei  Wetzlar
               seien.  Nun  hatte  Käti  keine  Ruhe  mehr  und  wollte  zur  Mama  fahren.  Am
               Donnerstagmorgen  versagte  der  Reichsbahnomnibus  und  Käti  musste  länger  hier
               warten. Es kamen dauernd zurückflutende Autokolonnen aus dem Bruchweg und von
               Lazarettwagen  hatte  Käti  erfahren,  dass  sie  nicht  mehr  nach  Hause  könnte,
               Gemünden sei schon besetzt und in der Frankenberger Gegend werde noch gekämpft.
               Da kannst Du Dir denken, dass Käti ganz unglücklich wiederkam, nun war sich auch
               noch von der Mama getrennt. An dem Morgen habe ich Sachen vergraben, die den
               Feinden nicht in die Hände fallen sollten. Gegen Mittag wurde durch die Ortsschelle
               bekanntgegeben dass alle arbeitsfähigen Männer und Frauen sich bei Himmelmanns
               versammeln  sollten  um  Panzersperren  zu  errichten.  Diese  Mitteilung  wirkte  sehr
               niederschmetternd, denn es wurde erzählt dass alle Dörfer, die Widerstand leisten, in
               Brand geschossen würden. Als sich dann das Volk versammelt hatte kannst Du Dir
               vorstellen was das für ein Disputieren und Protestieren gab doch die Nazigesellschaft
               von Hofgeismar hatte dem Bürgermeister und dem Ortsbauernführer mit Erschießen
               gedroht, wenn das nicht gemacht würde.




                                                           -1-
   1   2   3   4